ALBERT BRANCHART (1813 -1892)

Albert Branchart wurde am 24. November 1813 in Aachen geboren. Zunächst besuchte er die Schule der „JOMPFER ERCKENS“ auf dem Sandkaulbach, der er in seinem Gedicht „Der Namensdag der Schulmatant“ später ein Denkmal gesetzt hat. Nach dem Besuch des Gymnasiums bildete er sich im Brühler Seminar zum Elementarlehrer aus und wirkte als solcher in Broichweiden, Eynatten und ab 1840 an der Pfarrschule St. Peter in Aachen. Von 1852 – 1884 war er Lehrer an der Aachener Fortbildungsschule, der späteren Realschule. Branchart war seinerzeit nach Jupp Müller der populärste Aachener Mundartdichter. Sein 1855 herausgegebenes „HERBARIUM VAN ÖCHER BLOMME“ erlebte 1869, 1875, 1878 und 1884 immer neue Auflagen. Branchart dürfte auch der erste und einzige Öcher-Platt-Dichter sein, dem die Stadt Aachen auf dem Westfriedhof (II) an der Vaalserstraße eine ewige Grabstätte gewidmet hat, die sich unterhalb des CAMPO SANTO befindet.

Hier ein Gedicht von Albert Branchart:

Zenter Klos

Sankt Nikolaus

En Bäckeschfrau, dör storf der Mann,
Dat wor e Jamm’re, Klage:
„Wat fang ich ärrem Wetfrau an?“
Su huht me hör mär sage.
„Alleng stohn ich nun e gen Hus,
Mi ganz Geschäft op eämol us,
Dat es för ze verzwief’le.“
Einer Bäckersfrau, der starb der Mann,
Das war ein Jammern, Klagen:
„Was fang ich arme Witwe an?“
So hörte man sie nur sagen.
„Allein steh ich nun in dem Haus,
Mein ganzes Geschäft auf einmal aus,
Das ist um zu verzweifeln.“
„Ich bet üch, schwitt än sed doch stell,
Wat hölpt dat Lamentiere?!“
Su saht der Wickes, der Gesell,
„Dat kann ich net got hüre;
Ich bliev jo hei, dröm kriescht net mieh,
Wel ploge mich, än Ühr söllt sieh,
Üch blieve alle Klankte.“
„Ich bitt Euch, schweigt und seid doch still,
Was hilft das Lamentieren?!“
So sagt der Wickes, der Gesell,
„Das kann ich nicht gut hören;
Ich bleib ja hier, drum weint nicht mehr,
Will plagen mich, und Ihr werdet sehen
Euch bleiben alle Kunden.
Der Wickes wor ‚ne brave Kneäht,
Hielt treu ouch sie Verspreiche,
Än wen’ger fuhlt de Frau hör Leäd,
Wie koum ‚ne Mond verstreiche.
Net Brud alleng backt heä e Mass,
Ouch Flahm än Tuht log e gen Kass,
Wie bei ‚ne Zockerbäcker.
Der Wickes war ein braver Knecht,
Hielt treu auch sein Versprechen,
Und weniger fühlt die Frau ihr Leid,
Wie kaum ein Mond verstrichen.
Nicht Brot allein backt er in Massen,
Auch Fladen und Torten lagen im Fenster
Wie bei einem Zuckerbäcker.
De Frau wor en hör beiste Flür,
Gotmüdig, wie en Düffche,
Et neu Geschäft gov hör wier Klür,
Sei heisch et nett Wetwiffche.
„En Wetfrau,“ sätt me, „ohne Kenk,
Dat es än blievt e lecker Denk;“
‚su daht ouch stell der Wickes.
Die Frau war in ihrer besten Blüte,
Gutmütig wie ein Täubchen,
Das neue Geschäft gab ihr wieder Farbe
Sie hieß ein nettes Wittfrauchen.
„Eine Witwe“, sagt man, „ohne Kind,
Das ist und bleibt ein leckeres Ding“.
So dachte auch still der Wickes.
A fin Gebäcks hong mär sin Hatz,
Macht Krut- än Zockerbretz’le,
Geblarsch, Radong, kleng Plätz än Platz,
Ouch Schlötsch met Appelschnetz’le.
Kottöm, et Hus kreäg at der Nam,
De Wetfrau hat der beiste Flahm,
De fingste Appeltuhte.
An feinem Gebäck hing nur sein Herz,
Macht Kraut- und Zuckerbrezeln,
Blätterteig und Rodon, Plätzchen und Platz
Auch Schlütz mit Apfelstückchen.
Kurzum, das Haus bekam schon den Namen,
Die Witwe hat den besten Fladen,
Die feinste Apfeltorte.
Nu kom de Zitt va Zenter Klos,
Der Wickes backet Prente,
Ouch Rittere, ze Peäd, ze Foß,
Va Krenniedeäg met Krente.
Der Weckemann krasteiebrun,
Met Boxekneuf, hau ouch Fazun
Än kicket a gen Fenster.
Nun kam die Zeit von Nikolaus,
Der Wickes backte Printen,
Auch Ritter zu Pferd, zu Fuß,
Aus Korinthenteig mit Rosinen.
Der Weckemann kastanienbraun
Mit Hosenknöpfen hat auch Fasson
Und guckte aus dem Fenster.
Der Ovvend endlich kom eran,
De Freud för Gruß än Klenge,
Än alles daht a hel’ge Mann,
Wat möge vür wal fenge.
Mär ouch der Wickes dora daht,
Än an de Meästesche heä saht:
„Dahsch ich e Woht Üch froge?“
Der Abend endlich kam heran
Die Freude für Große und Kleine,
Und alle dachten an den Heiligen Mann,
Was mögen sie wohl finden?
Nur auch der Wickes dachte daran
Und zu der Meisterin er sagte:
„Darf ich ein Wort Euch fragen?“
„Ühr wort mich ömmer mieh äls got,
Ühr weßt der Fließ ze schätze,
Dahsch ich, es ouch ming Frog gät bot,
‚ne Schong hei op wal setze?“
„Woröm da net?“ sätt sei höm drop,
„Setzt allebeits de Schong mär op;
Weä weäß! Me kann net wesse.“
„Ihr ward mir immer mehr als gut,
Ihr wisst den Fleiß zu schätzen,
Darf ich, ist meine Frage auch etwas dreist,
‚nen Schuh hier wohl aufsetzen?“
„Warum dann nicht?“, sagt sie darauf.
Setzt alle beide Schuhe auf,
Wer weiß, man kann nicht wissen.“
Dat Leiste saht de Frau met Lach,
„Ich wel“, sätt heä, „versöcke.“
Gesaht, gedoh; än ih et Dag,
Fengt Wickes a ze söcke.
Heä suht än suht, än deä nüs fong,
Wor ose Wickes, denn de Schong
Send nörgens mieh ze fenge.
Das Letzte sagt die Frau mit Lachen.
„Ich will’s“, sagt er, „versuchen.“
Gesagt, getan; und eh es Tag,
Fängt Wickes an zu suchen.
Er sucht und sucht, und der nichts findet,
War unser Wickes, denn die Schuhe
Sind nirgends mehr zu finden.
Et Wiffche kom nun ouch eraf.
„Wie hat et da gegange?“
„De Schong send futt met Heu än Kaf,
Hei haue sei gestange.“
„Och, Wickes, söckt än kickt ens got!“
Dat Wöttche get höm wörrem Mot,
Heä fengt wier a ze söcke.
Das Weibchen kommt nun auch herunter.
„Wie ist es denn gegangen?“
„Die Schuhe sind weg mit Heu und Stroh,
Hier haben sie gestanden.“
„Ach, Wickes, sucht und guckt mal gut!“
Das Wörtchen gibt ihm wieder Mut,
Er fängt wieder an zu suchen.
Op eämol röft heä: „Wat es dat?!“
Weäd blaß än ganz verleäge,
Sitt, dat de Frau sing Schong a hat;
Drop könt sei höm entgeäge:
„Nu sag, gefellt der hel’ge Mann?
Nömmst du höm ganz va Hatze an?
Da kom, gäv mich e Pütschche.“
Auf einmal ruft er: „Was ist das?!“
Wird blass und ganz verlegen,
Sieht, dass die Frau seine Schuhe anhat,
Darauf kommt sie ihm entgegen:
„Nun sag, gefällt der heilige Mann?
Nimmst du ihn ganz von Herzen an?
Dann komm, gib mir ein Küsschen.“
Än wie ‚ne Piel flügt us ‚ne Bog,
Der Wickes noh et Wiffche;
„Gefalle?! Es dat noch en Frog?
Du zock’re Hatzensdüffche!“
Än rechtig, noh en Weich of zeng,
Du golde sei sich at de Reng
Äls glöcklich Ihstandspärche.
Und wie ein Pfeil fliegt aus dem Bogen
So Wickes zu dem Frauchen.
„Gefallen? Ist das noch eine Frage?
Du zuckeriges Herzenstäubchen!“
Und richtig, nach einer Woche oder zehn,
Da kauften sie sich schon die Ringe
Als glückliches Ehestandspärchen.
Text: Albert Branchart Übersetzung von Josephine Fürstenau